Zugewinnausgleich - "Dein Geld ist auch mein Geld" - oder nicht?

 

Im Rahmen der Ehescheidung müssen auch Regelungen über das Vermögen der Ehegatten getroffen werden. Dabei ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass die Ehe eine Solidargemeinschaft ist und Ehegatten darauf vertrauen dürfen, dass die in der Ehe erworbenen Vermögenswerte auf Dauer der Absicherung beider Ehepartner dienen. Dabei stellen sich immer wieder Fragen danach, was sich hinter dem Begriff eigentlich verbirgt. Die häufigsten Fragen hier im Überblick:

Gehört alles Vermögen aus der Ehe beiden gemeinsam?

Nein. Zunächst bringen beide Ehegatten ihr Eigentum, was sie vor der Eheschließung besessen haben, zwar mit in die Ehe ein. Das bedeutet aber nicht, dass automatisch der andere Ehegatte nun auch Eigentümer an dem Vermögen des anderen wird. Insoweit stimmt also der Spruch „meins ist deins“ nicht. Ehegatten können sich zwar untereinander die Nutzung des jeweiligen Vermögens einräumen – auch um sich Werte in der Ehe anzuschaffen. Die Ehegatten bleiben aber auch nach der Eheschließung allein Eigentümer ihrer jeweiligen Vermögenswerte wie Kontoguthaben, Auto, Immobilien usw. Das bedeutet auch, dass allein durch die Eheschließung der Ehegatte nicht automatisch Schulden des anderen übernimmt. Dies bleiben die Schulden des jeweiligen Ehepartners.
Ebenso kann innerhalb der Ehe jeder Ehegatte allein weiteres Eigentum erwerben. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um eine Briefmarkensammlung handelt oder der Ehemann einen Faible für Oldtimer hat. Insbesondere, wenn die Ehegatten jeweils über ein eigenes Konto verfügen, auf welches ihre monatlichen Einnahmen gezahlt werden, stellt dies das alleinige Vermögen des jeweiligen Ehepartners dar.

Was geschieht durch den Zugewinnausgleich?

Um dies zu erläutern, kann man an das Beispiel der separaten Konten anknüpfen. Beide Ehegatten haben unterschiedliche Einkünfte, die auf ihr eigenes Konto fließen. Die Ehefrau verdient sehr gut und bestreitet aus ihrem Einkommen die Miete, Lebenshaltungskosten, Unterhaltskosten für die Kinder. Einen kleinen Teil spart sie. Das Einkommen des Ehemannes wird kaum angerührt. Es soll als Rücklagen für Urlaube, aber auch als Puffer für Neuanschaffungen dienen. Über die Jahre hat sich daher auf dem Konto des Ehemannes ein erkleckliches Sümmchen von einigen Tausend Euro gebildet, während die Ehefrau mühsam knapp ein Zehntel dessen gespart hat.
Im Zuge einer Trennung würde hier nun die Ehefrau die Ehe mit weitaus weniger eigenem Vermögen verlassen als der Ehemann. Da sie in der Ehe aus ihrem Einkommen alle Lebenshaltungskosten getragen hat, erscheint dieses Ergebnis bereits offensichtlich ungerecht und korrekturbedürftig. Hier greift nun der Zugewinnausgleich.
Dazu wird das Vermögen beider Ehegatten zum Beginn ihrer Ehe mit dem am Ende der Ehe verglichen. Die Differenzbeträge bilden den (Hin-) Zugewinn des Ehegatten. Derjenige, der mehr in der Ehe erwirtschaftet hat, ist dem anderen in Höhe der Hälfte des Überschusses zum Ausgleich verpflichtet. Anhand eines Beispiels soll dies verdeutlicht werden:

Anfangsvermögen der Ehefrau: 1.000 €
Endvermögen der Ehefrau: 6.000 €
Zugewinn der Ehefrau: 5.000 €
Anfangsvermögen des Ehemannes: 0 €
Endvermögen des Ehemannes: 51.000 €
Zugewinn des Ehemannes: 50.000 €

Differenz des Zugewinns zwischen den Ehegatten: 45.000 € zugunsten des Ehemannes
Ausgleich an Ehefrau: 45.000 € / 2 = 22.500 €
Der Ehemann hat an die Ehefrau 22.500 € als Zugewinnausgleich zu zahlen.

Die Ehegatten gehen damit mit folgenden Vermögen aus der Ehe:
Ehefrau: eigenes Endvermögen 6.000 € + Zugewinnausgleich 22.500 € = 28.500 €
Ehemann: eigenes Endvermögen 51.000 € - Zugewinnausgleich 22.500 € = 28.500 €

Durch den Zugewinnausgleich wird also eine gerechte Verteilung des in der Ehe erworbenen Vermögens erreicht.

Welcher Zeitpunkt gilt für das Anfangs- und Endvermögen?

Der Zugewinnausgleich unterliegt dem Stichtagsprinzip. Es gelten also konkrete Stichtage für die Berechnung, nicht längere Zeiträume. Für das Anfangsvermögen ist das Vermögen maßgeblich, das beide Ehegatten am Tag ihrer Eheschließung besessen haben. Für das Endvermögen ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrages maßgeblich. Dieser Tag wird regelmäßig im Rahmen des Scheidungsverfahrens durch die Gerichte mitgeteilt.

Kann ich über das Vermögen meines Ehegatten Auskunft verlangen?

Ja, das Gesetzt sieht verschiedene Auskunftsansprüche unter den Ehegatten vor. Im Falle der Trennung und Ehescheidung kann Auskunft verlangt werden über das bestehende Endvermögen sowie das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung. Damit sollen Vermögensverschiebungen während der Trennungszeit erkennbar, beweisbar und sanktionierbar sein. Beim Anfangsvermögen besteht zunächst eine Vermutung dafür, dass dies bei Null lag. Soll ein negatives Anfangsvermögen geltend gemacht werden, muss dies im Bestreitensfall vom Ausgleichsberechtigten bewiesen werden. Für ein positives Anfangsvermögen ist der Verpflichtete beweisbelastet. Beim Endvermögen ist jeweils derjenige Ehegatte beweisbelastet, der einen Ausgleichsanspruch für sich geltend macht. Diese Nachweise gelingen nur durch die bestehenden Auskunftsansprüche.

Können wir uns auch schon vor der Ehescheidung über den Zugewinnausgleich einigen?

Ja, das ist einvernehmlich möglich. Eine Einigung vor Rechtskraft der Ehescheidung ist zu ihrer Wirksamkeit jedoch entweder notariell zu beurkunden oder aber im Scheidungsverfahren gerichtlich protokollieren zu lassen. Nach Rechtskraft der Ehescheidung ist eine Einigung formfrei möglich. Es kann sich also aus Kostengründen anbieten, die Einigung erst nach Rechtskraft der Ehescheidung zu treffen. Dazu ist lediglich zu berücksichtigen, dass Zugewinnausgleichsansprüche innerhalb von 3 Jahren nach Rechtskraft der Ehescheidung verjähren und danach nicht mehr durchsetzbar sind.

Müssen wir uns über den Zugewinnausgleich geeinigt haben, bevor die Scheidung eingereicht wird?

Nein. Dies ist keine Voraussetzung für die Ehescheidung, noch muss darüber überhaupt zwingend (gesetzlich vorgeschrieben) eine Regelung getroffen werden. Gleichwohl ist dies zur Vermeidung von Nachteilen anzuraten. Die Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung sind sehr komplex – insbesondere bei Beteiligung von Grundstücken -, so dass fachliche Unterstützung in jedem Fall anzuraten ist.
Durch kluges taktisches Verhalten kann hier frühzeitig eine Steuerung erfolgen, die nicht nur steuerlich günstige Ergebnisse, sondern auch faire Lösungen für alle Beteiligten ermöglicht. Durch die Verzahnung vielfältiger Rechtsvorschriften mit den Normen zur Vermögensauseinandersetzung ist eine fachlich-kompetente Begleitung unverzichtbar, um einerseits sicherzustellen, dass überhaupt rechtlich wirksame Ergebnisse erzielt werden und „böse Überraschungen“ im Nachhinein vermieden werden.

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